Monkey Island 2 - Le Chuck's Rache
Endlich hat Lucas Arts die Amigaversion der zweiten Affeninsel fertiggestellt, endlich haben alle arbeitslosen Piraten wieder eine sinnvolle Aufgabe, endlich überschüttet uns der Postbote nicht mehr mit Anfragen, wann denn dieses Game endlich herauskäme. Endlich, endlich, endlich!
Es schien sich aber auch wirklich alles gegen uns Affenliebhaber verschworen zu haben: Während PC-Piraten Freund Guybrush bereits seit über einem halben Jahr durchs aktuelle Karibik-Abenteuer schleuchen dürften, wurde die Amigaversion immer wieder verschoben. Alles vergeben und vergessen - die Umsetzung ist astrein ausgefallen!
Auf stattlichen elf Scheiben wird das Game geliefert, erstaunlicherweise läßt es sich dennoch auch von Disk relativ passabel spielen: Sämtliche Daten, auf die das Programm ständig zurückgreifen muß, sind gleichermaßen auf allen Disketten zu finden, wodurch sich (im Gegensatz zu beispielsweise vielen Dynamix-Adventures) die Wechselei in erträglichen Grenzen hält; dennoch wäre hier eine Harddisk sicher nicht verkehrt. Die Grafik wurde im 32 Farben-Modus erstellt und ist wunderschön anzusehen, das Scrolling hat auch zu PC-Zeiten schon geruckelt, und der Hauptdarsteller ist nun zwar etwas langsamer unterwegs, im Vergleich zu manch anderem Amiga-Helden rast er aber geradezu irrwitzig flott über den Screen. Lediglich beim Sound müssen größere Abstriche gemacht werden, denn Musik ertönt auf der "Freundin" nur noch gelegentlich, und die Effekte fehlen weitgehend. Aber Story und Handlungsablauf sind selbstverständlich hundertprozentig identisch zur "Urversion".
Am Anfang steht eine Begegnung zwischen Guybrush Threepwood und Elaine Marley, jener hübschen Inselgouverneurin, die der frischgebackene Pirat im ersten Teil aus den Klauen des üblen Geisterkapitäns Le Chuck befreien könte. Mittlerweise ist das aber Schnee von gestern, denn nun erzählt Guybrush Elaine von seinem nächsten, viel größeren Coup: Der sagenumwobene Schatz "Big Whoop", an den sich bisher noch kein Pirat rantraute, soll ihm zu Ruhm, Ehre und ein bißchen Kleingeld verhelfen. Er begibt sich deshalb nach Scabb Island, wo er aber unrühmlicherweise erstmal seine komplette Barschaft an den ehrlosen Banditen Largo los wird. Und schon wird's kompliziert, denn sehr bald stellt sich heraus, daß der gesuchte Schatz gar nicht auf Scabb Island liegt - aber eine sofortige Weiterreise ist nicht drin, weil da sowohl Largo als auch Guybrush leerer Geldbeutel etwas dagegen haben...
Nun, gegen Largo hilft eine Voodoo-Puppe, die die bereits vom Vorgänger her bekannte Wahrsagerin im Sumpf gerne anfertigt, immer vorausgesetzt, man besorgt ihr die erforderlichen Zutaten. Überhaupt wollen immer alle was von einem, beispielsweise stellt der hilfsbereite Captain Dread sein Schiff nur dann als Fluchtfahrzeug zur Verfügung, wenn man ihm einen Talisman und 20 Goldstücke überreicht. Dazu mal ein kleiner Tip: Ein ausgezeichneter Glücksbringer ist das Monokel des skurrilen Kartographen Wally, der Guybrush auch erzählt, daß der Lageplan für Big Whoop in vier Teile zerrissen wurde und sich daher jetzt im Besitz von vier verschiedenen Leute befindet. Klingt nach viel Arbeit? Ist es auch! Im Vergleich zum ersten Teil haben Rätseldichte und -knackigheit drei Zähne zugelegt, manchmal muß man schon um mehrere Ecken denken, um die abstrusen Denksportaufgaben zu lösen!
Wie gehabt verteilt sich die Geschichte auf mehre Inseln (genauer: dreieinhalb), auf denen der Held als winzige Pixel-Figur nach Belieben herumlaufen kann. Sobald er eine interessante Örtlichkeit erreicht, wird von der Vogelperspektive wieder auf die normale Seitenansicht mit einem vernünftig großen Guybrush umgeschaltet. Wenn dann nicht zufälligerweise gerade eine jener Lucas-typischen, trickfilmartigen Zwischensequenzen (in die man nicht eingreifen kann) ansteht, läßt man ihn in gewohnter Weise per Maus und Verbenliste agieren. An der rein mausgesteuerten Benutzerführung hat sich also wenig geändert, mal davon abgesehen, daß die Gegenstände im Inventory nun als Icons erscheinen. Geredet wird im Multiple-Choice-Verfahren, man darf endlos viele Spielstände anlegen, es gibt eine Codeabfrage als Kopierschutz, und das ganze Programm ist komplett in deutsch zu haben. Im Gegensatz zum Vorgänger sind hier jedoch deutlich mehr Orte zu erforschen und mehr Rätsel zu lösen: man begegnet auch mehr Personen, teilweise handelt es sich dabei aber um alte Bekannte wie die schöne Gouverneurin Elaine oder den wiederbelebten Bösewicht Le Chuck. An Komplexität herrscht nun also kein mangel mehr, und an (manchmal aber witzigen!) humoristischen Einlagen ohnehin nicht. Hier ist einfach alles drin und dran: Liebe, Drama, Wahnsinn, stimmige Atmosphäre und Knobelspaß satt - da sieht man über die letztendlich äußert geringen "Umsetzungs-Verluste" gerne hinweg. Mag das Spiel auch etwas Disk-Wechselei mit sich bringen und die Musikbegleitung spärlicher sein als auf dem PC ,Hauptsache, das Gameplay ist in Ordnung. Und weil dem selbst auf "Problem-Amigas" wie dem A500 Plus oder dem 3000er so ist, gibt's hier nur eine Devise: Entert schnellstens die Geschäfte! (C. Borgmeier) Amiga Joker, September 1991 |
|
hinzugefügt: June 5th 2013
Magazin: AJ
Punkte: 4
Hits: 2227
Sprache: german