Christoph Kolumbus
Die Jubiläumsfeierlichkeiten zur Entdeckung Amerikas liegen zwar bereits ein Weilchen zurück, aber was macht das schon? Dieses historische Kolonialistenepos von Software 2000 ist für sich allein ein Grund zum Feiern. |
Der komplexen Mistur aus Strateguie und Wirtschaftssimulation ist deutlich die Handschrift des Chefprogrammierers Christian Wölk anzumerken, der auch an der Amigaversion von Ascons „Der Patrizier“ beteiligt war; Insgesamt fünf bekannte Weltenbummler unterschiedlicher Nationalität (z.B. James Cook oder der Titelheld) stehen bereit, um für ihr Land in den Eroberungswettkampf zu ziehen. Maximal vier davon gehorchen menschlichen Kommandos, wer übrigbleibt, wird entweder ganz weggelassen oder vom Rechner gesteuert. Ziel des rundenweise ablaufenden Spiels ist es, durch erfolgreiches Wirtschaften und geschicktes diplomatisches Vorgehen binnen dreihundert Jahren (Eroberer sind zäh!) auf der gesellschaftlichen Karriereleiter den Rang eines königlichen Beraters zu erklimmen. Daher müssen die Teilnehmer auch immer darauf achten, daß sie es sich nicht im Eifer des Gefechts durch blinden Aktionismus mit der Kirche oder ihrem jeweiligen Regenten verderben.
Als Kommandozentrale fungiert der mit Pulldownmenüs ausgestattete und sehr schön gezeichnete Heimathafen, von dem aus die sechs Untermenüs bequem via Mausklick erreichbar sind. In der Werft können (je nach Epoche) bis zu zwölf verschiedene Kanonen geordert und auch wieder verkauft werden – anfangs verfügt man nur über eine kleine Karavelle und etwas Klimpergeld. Die größeren Werften besitzen darüber hinaus ein Trockendock zur Reparatur demolierter Fernfahrschüsseln. Außerdem sitzt im Hafen die Bank, die für entsprechende Zinsen ihren Zäster wildfremden Menschen leiht. Das aus Matrosen und 15 Arten von Soldaten bestehende Personal rekrutiert man in der Hafenspelunke, wo auch (ebenfalls anzuheuernde) Piraten und Informanten herumlungern, die gegen einen finanziellen Obulus wichtige Tips herausrücken. Im Kontor lassen sich Informationen zur persönlichen Gesamtsituation abrufen, und ein Historiker gibt jederzeit Auskünft über den erreichten Fortschritt. Fehlt bloß noch das Handelsmenü, wo das Schiff schließlich mit Waffen, Proviant und billigem Glasperlen-Tand für die Eingeborenen-bestechung beladen wird.
Wurden an Land alle Reisevorbereitungen erledigt, geht es hinaus auf die nicht mehr ganz so schön und detailreich gemalte (und zunächst stockdunkle) hohe See, bei der à la „Civilization“ nur das bereits durchquerte Gebiet zu sehen ist. Neben Wehwehchen wie Pest, Stürmen und Meutereien sorgen von nun an auch die aggressiven Konkurrenten für Ärger. Bei den anschließenden Seegefechten, die mausgesteuert und rundenweise ablaufen, hat dann zumeist die stärkere Schaluppe die Nase vorn. Wem der Zufall schon einen offiziellen Kaperbrief in die Kajüte geweht hat, darf die lästigen Brüder auch von sich aus angreifen, ohne deshalb einen Imageverlust befürchten zu müssen.
Sobald wieder Land in Sicht kommt, geht man vor Anker und rüstet ein Expeditionskorps mit Männern, Geld, Proviant und dem Tausch-Trödel für die Eingeborenen aus. Die Marschgeschwindigkeit dieser Truppe hängt dabei vorwiegend vom Gewicht des Gepäcks ab, das die einzelnen Mitglieder schleppen dürfen. Hat das Suchteam ein Indiodorf entdeckt, besteht die Wahl zwischen der friedlichen Kolonisierung durch Bestechung des hiesigen Häuptlings mit dem mitgebrachten Plunder und einem Überfall mit der sofortigen Bekanntgabe des Schlachtausgangs. Die unfreundliche Alternative ist zwar oft recht lohnend, erfordert allerdings den gesteigerten Einsatz von militärischer Hardware. Zudem sieht der Klerus solche Brutalitäten gar nicht gerne, daher kann schon mal ein Kirchenbann drohen, der sich geradezu verheerend auf die Motivation der Mannschaft auswirkt. Egal, ob man nun den sanften oder den weniger netten Weg beschritten hat, letztendlich führen sie beide zur Gründung einer Missionsstation. In diesem glücklichen Umfeld vermehren sich die Siedler dann völlig selbstständig, man braucht der aufblühenden Gemeinde bloß noch einige Minen, Plantagen der Forts zu spendieren. Wie sich die Sache entwickelt, ist vornehmlich eine Frage des richtigen Standorts – idealerweise sollte aus der Mission im Lauf der Zeit eine Siedlung, eine Niederlassung und gegebenenfalls auch eine Hafenstadt werden. Die eingeheimsten Erträge werden in schlechter Kolonialistentradition komplett nach Europa transferiert, wo sie sowohl den eigenen Geldbeutel als auch den Einfluß bei Hofe stärken. Als Verwendungsmöglichkeit für die angehäufte Knete bietet sich besonders die Erweiterung der eigenen Armada an, um damit zusätzliches Land zu erschließen und noch mehr Profit zu machen. Das Maximum dessen, was ein weitgereister Spieler hier gleichzeitig kontrollieren darf, sind immerhin 200 Schiffe und Siedlungen! Die unzählichen, teilweise auch animierten Grafiken des unterhaltsam Games sind ebenso detailliert wie farbenprächtig, für die in kürze erscheinende A1200-Version wurde uns in der Hinsicht sogar noch mehr versprochen. Sound ertönt dagegen nur recht spärlich, aber wenn, dann paßt er immer zur Situation. Auch die Maus-/Menüsteuerung (plus Hotkeys) erfüllt ihre Pflicht ohne jedes Murren, und für Abwechslung auf lange Sicht sorgt der Umstand, daß die Weltkarte bei jedem Neustart frisch generiert wird. Anders gesagt: Was lungert Ihr Landratten eigentlich immer noch hier herum, statt an Bord Euren Dienst zu verrichten?! (md) Amiga Joker, Februar 1994 |
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hinzugefügt: September 15th 2013
Magazin: AJ
Punkte: 1
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Sprache: german