Dreamweb
AGA
Den PC umspannt Creative Realitys abenteuerliches Traumnetz bereits seit knapp einem halben Jahr, nun wird endlich auch der Amiga umgarnt – von einem Cyberspace Adventure, dessen traumatisch harte Zukunftsvision dem großen Übervater William Gibson alle Ehre macht! |
Das titelgebende Dreamweb hat man sich als eine Art virtuelles Unterbewußtsein der gesamten Menschheit vorzustellen, was natürlich allumfassenden Manipulationen Tür und Tor öffnet. Normalerweise wäre das nicht weiter schlimm, denn die Energien des Netzes werden von sieben höheren Kontrollinstanzen im Zaum gehalten, die sich zu etwa gleichen Teilen in Gut und Böse gliedern – und im richtigen Leben als prominente Persönlichkeiten auftauchen. Neuerdings jedoch gelang es den Finsterlingen, alle sieben Positionen zu besetzen, so daß ausschließlich zerstörerische Kräfte freigesetzt werden. Das ruft nun wieder die ominösen und stets auf Ausgleich bedachten "Wächter" auf den Plan, die Ryan, den ziemlich abgewrackten Helden des Spiels, damit beauftragen, alle Übeltäter ihrer irdischen Hüllen zu berauben. Deutlich gesagt: Hier wird ein Killer gesucht!
Als Underdog mit zweifelhafter geistiger Gesundheit (was sein dem Spiel beiliegendes Tagebuch mehr als deutlich macht) scheint der soeben arbeitslos gewordene Barmixer für den Job prädestiniert, allerdings fehlen ihm vorderhand sowohl Infos als auch Ausrüstung und Kohle. Letztere bekommt Ryan von seinem Ex-Brötchengeber in Form einer Abfindung, erstere liefert für den Anfang sein heimischer Netzwerk-Compi, in den er sich mittels eines speziellen "Dreamweb-DOS" regelrecht hineinhacken muß. Auch eine Knarre gehört zum Inventory-Standard (sie muß allerdings erst mal über drei Umwege besorgt werden), und so gestalten sich die erste Exekutionen noch relativ problemlos. Später komplizieren ein paar kritische Situationen das im ganzen nicht allzu schwere Game, zumal die Nachrichten nicht ohne Grund laufend Greuelmeldungen über einen irren Massenmörder liefern – einiges spricht hier für Ryan als Täter, wenngleich weit mehr Opfer als die von ihm erlegten zu beklagen sind. Oder sollte da etwa joch jemand die Meuchelhand im Spiel haben? Aus alldem läßt sich unschwer erkennen, daß Dreamweb einerseits mit Spannung und Atmosphäre nicht knausert, andererseits hauptsächlich für erwachsene Abenteurer geeignet ist. Schon die krude Story legt eine solche Einschätzung nahe, doch kommen hier spezielle Szenen auf den Spieler zu, die es erstaunlich erscheinen lassen, daß die DOS-Version noch immer nicht auf dem Index gelandet ist: Wenn etwa ein Opfer mitten während Bettgymnastik überrascht wird, das nackte Mädel gerade noch unter die Liege flüchten und der Delinquent gerade noch sein bestes Stück mit einem Kissen bedecken kann, ehe man sein Gehirn dekorativ über das Bett verteilt, dann ist das schon starker Tobak! Mach sein, daß die Jugendschützer das Spiel bislang nur wegen seiner vergleichsweise unspektakulären Vogelperspektive übersehen haben (obwohl sich die Animationen der gut 80 auftretenden Charaktere sehr wohl sehen lassen können), und die Optik wurde ja 1:1 vom PC auf den AGA-Chipsatz gezogen – vielleicht kommt der Schocker also weiterhin ungeschoren davon? Jedenfalls steuert man Ryan nach wie vor via Mausklick durch relativ kleine Räume, untersucht per Lupenfunktion Gegenstände und manipuliert Geräte, Türschlösser oder sonstige Objekte. Aufnehmen kann man die herumliegenden Items natürlich auch, wobei die Programmierer eine geradezu detailomanische Versessenheit an den Tag legten: Noch die letzte Zigarettenkippe läßt sich begutachten, und manche der stets aus mehreren Räumen bestehenden 30 Locations strotzen geradezu vor Gerümpel, Müll, und wertlosem Abfall. Auch das Dreamweb selbst (bzw. Seine materielle Komponente in Form eines fantasymäßig angehauchten Mini-Dungeons) wird man im Lauf der Story mehrfach betreten, doch sind die meisten Örtlichkeiten immer nur dann per Auswahlscreen zugänglich, wenn man dort auch tatsächlich etwas verloren hat. Eine durchaus sinnvolle Idee, die planloses Hin- und Herreisen wirksam unterbindet, zumal das Game so strukturiert wurde, daß praktisch keine Sackgassen auftreten könnten – die Lösung des Problems ist immer mit den zur Verfügung stehenden Mitteln möglich. Akustisch wird hier gleichfalls Qualität geboten, denn ein düsterer Soundtrack im Vangelis-Stil (die Ähnlichkeit mit der "Blade Runner"-Filmmusik dürfte wohl durchaus beabsichtigt sein) trägt in Tateinheit mit stimmungsvollen FX sicher wesentlich zum schön-schaurigen Feeling bei. Leider müssen dennoch ein paar im Handling begrabene Hunde genannt werden: Daß die fünf Disketten keine Zweitfloppy unterstützen, mag angesichts der HD-Installroutine ja theoretisch angehen – praktisch werden 2-MB-Amigas mit Festplatte aber erhebliche Speicherplatz-Probleme bekommen, wenn man Dreamweb darauf wie gewohnt über die Workbench anwirft. We also nicht unter unerträglichen Rechen- und Nachladezeiten leiden will, der wird hier wohl oder über zum CLI-Start greifen müssen... Einen Hit wollten wir schon deshalb nicht vergeben, aber das sollte Euch letztlich nicht stören. Wer das Spiel nämlich allein aufgrund der damit verbundenen Unbequemlichkeiten im Regal liegen läßt, der verpaßt ein besonders harsches Abenteuer für charakterstarke Cyber-Killer! (jn) Amiga Joker, März 1995 |
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Amiga 500
Vor einem halben Jahr verfingen sich die AGA-Amigos in diesem mörderischen Traumnetz aus dem SF-Cyberspace - nun serviert der Ex-Barkeeper Ryan auch am 500er allen bösen Buben blaue Bohnen!
Und zwar insoweit besonders leckere, als Empire diesmal eine saubere, selbst von Disk problemlos spielbare Umsetzung zusammengebrutzelt hat. Immer noch Geschmackssache ist dagegen die krude Story mit ihrem Hang zum Düsteren: Als Hintergrund dient das titelgebende Dreamweb, eine Art Fantasy-Cyberspace, dessen Kontrollinstanzen neuerdings von Bösewichtern besetzt werden, welche auf der Erde zugleich als prominente Rockstars oder Politiker auftreten. Aber zum Glück gibt es ja den engangs erwähnten Hoffnungsträger Ryan...
Daraus entwickeln sich nun ganz zwanglos mehrere Killermissionen, die teilweise in harschen Gewaltszenen gipfeln, doch bleiben solche Sequenzen stets mit der spannenden Geschichte verwoben. Auch der Ausstatter hat sich mit Hilfe von Massen an Müll und Abfall erfolgreich um ein stimmiges Schimmel-Ambiente bemüht; hier kann sogar noch die letzte Zigaretten-kippe genauestens untersucht werden. Grafisch verspricht die Draufsichtperspektive dennocht keine Wunder, aber alle Mitwirkenden wurden sehr nett animiert. Unterschiede zur AGA-Version sind nur im direkten Vergleich erkennbar. Etwas deutlicher sind die Differenzen bei den Soundeffekten (Elektronik-Piepen, zischende Türen, etc.) und der Musik, die eine wunderbar hoffnungslose Atmosphäre erzeugt. Unter dem Strich bleibt ein SF-Adventure, wie es in letzter Zeit auf dem 500er leider schon Seltenheitswert besitzt: mitreißend, spannend und technisch gut in Szene gesetzt - aber auch der reinste Alptraum für zartbesaitete Abenteurer! (jn) Amiga Joker, September 1995 |
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hinzugefügt: February 17th 2015
Magazin: AJ
Punkte: 1
Hits: 1595
Sprache: german