Lothar Matthäus
Ein großer Name, eine teure Lizenz – und nichts dahinter? O nein, Ocean hat ganze Arbeit geleistet: Der Ruf des Bayern-Kapitäns ist gerettet, die Fans kriegen ein erstklassiges Spiel und Ihr einen topexklusiven Test!
Weltmeister, zweimal Fußballer des Jahres – Lotharchen sammelt die ehrlich erschwitzten Ehrentitel wie andere Leute Briefmarken. Und mit dieser Soccersimulation kann er einen weiteren Erfolg verbuchen, auch wenn sein persönlicher Beitrag vermutlich nur in einem Satz bestand: „In Ordnung, nehmt meinen Namen!“.
Bei genauerem Hinsehen haben wir es hier nämlich mit der Fortsetzung von „Emlyn Hughes International Soccer“ aus dem Hause Audiogenic zu tun. Ocean hat das Game also auch nur gekauft, in der englischen Heimat wurde es unter dem Titel „FA Premier League“ veröffentlicht. Was den 1990 erschienenen Vorgänger betrifft, so mußte er seine Qualitäten ja damals bei uns in einem kleinen WM-Special unter beweis stellen und landete knapp hinter „Kick Off 2“ auf dem zweiten Platz. Diesmal verhinderte das timing der Hersteller leider den Doppelpaß mit „Goal!“ – was besonders schade ist, weil Lothar Matthäus in gewisser Hinsicht eine Kombination von „Emlyn Hughes“ und „Kick Off“ darstellt. Vor allem gilt das für gewisse Ansichten, denn das Programm enthält sowohl eine leicht nach oben versetzte Seitenansicht als auch die klassische Vogelperspektive à la Dino Dini. Aber es kommt noch besser, denn zwischen den beiden Sichtweisen kann im Spiel jederzeit durch einfachen Tastendruck gewechselt werden, und das nahezu verzögerungsfrei. Doch ist das nur eines der unglaublichen, vielen Features dieses Games, schreiten wir also mal zur Aufzählung:
Es stehen mehrere Spieltaktiken zur Auswahl, die sich noch durch selbstgestrickte ergänzen lassen, die Kicker besitzen individuelle Leistungsmerkmale (Schnelligkeit, Kraft, Ausdauer etc.) und beherrschen das Paßspiel in drei Varianten, dazu Hackentricks, Volleyschüsse, Bananenflanken und Flugkopfbälle. Es sind zehn Schwierigkeitsgrade vorhanden, der Wind weht in verschiedenen Stärken und Richtungen, außerdem können die Platzverhältnisse vom englischen Rasen bis zur ausgewachsenen Schlammschlacht variiert werden. Zum Optionsangebot gehören auch die mehr oder weniger strenge Berufsauffassung des Schiedsrichters (mit der Abseitsregel steht der Mann allerdings immer auf Kriegsfuß, und von Gelben bzw. Roten Karten hält er auch nicht viel), ein wahlweise einblendbares Mini-Radar und die Festlegung der Matchdauer, die zwischen laschen vier und professionellen 90 Minuten angesiedelt werden darf. Selbst der eingebaute Videorekorder macht noch ein bißchen mehr, als man von ihm erwarten würde, und bringt z.B. auf Wunsch vollautomatisch eine kurze Wiederholung von besonders gelungenen Spielabschnitten und Torszenen.
Aber werfen wir doch noch einen kurzen Blick in die Kabine. Hier drängeln sich neben den 18 Bundesligateams auch die ganzen englischen, französischen, italienischen und spanischen Mannschaften; bei ihren jeweiligen nationalen Meiserschaften, anläßlich eines Freundschaftsspiels oder zur Ausspielung des Europapokals treffen sie dann am Platz aufeinander. Im Zwei-Kicker-Modus kann man nicht nur gegen, sondern auch zusammen mit einem fußballbegeisterten Freund im selben Team antreten, bloß den Posten des Torwarts reserviert der Rechner eisern für sich. Und daß von der kompletten Liga über die einzelnen Trikotfarben bis zu bestimmten Torszenen fast alles abspeicherbar ist, versteht sich bei soviel Vielfalt ohnehin von selbst.
jetzt geht es endlich hinaus ins Stadion, wo man erfreut feststellt, daß all die schöne Theorie auch in der Rasenpraxis tadellos funktioniert – je nach gewählter Perspektive hat man das Gefühl, vor „Emlyn Hughes“ oder „Goal!“ zu sitzen. Richtig hübsch haben die Programmierer vor allem das Dribbling hinbekommen, selbst bei harten Kehrtwendungen verliert man das Leder normalerweise nicht. Für die etwas spezielleren Tricks muß man dagegen richtig zum Ball stehen, nur die ganz hohen und die Flachschüsse sind aus nahezu jeder Lebenslage hinzukriegen, wobei Volleys allerdings oft und gern über dem Tor landen. Das ausgezeichnete Gameplay inklusive Fouls und nachfolgenden Elfmetern wird ergänzt durch eine prima Grafik mit herrlich großen und gut animierten Sprites, Freudenausbrüche nach einem Tor sind an der Tagesordnung, und selbst der schwarz und weiß gepunktete Ball dreht sich deutlich sichtbar im Flug! Deswegen kreischen und tröten die Zuschauer vermutlich auch so enthusiastisch, wohingegen die (abschaltbare) Musik bei unserem Testmuster noch nicht eingebaut war. In diesem Zusammenhang müssen wir uns auch für die englischen Texte auf den Fotos entschuldigen, im Laden wird Lothar selbstverständlich komplett deutsch aufspielen. Wenn seine Lolita nicht mehr dazwischenfunkt, dürfte dieses freudige Ereignis Ende August stattfinden – dann könnt Ihr Euch selbst davon überzeugen, daß der Platz auf dem Siegertreppchen für „Goal!“, „Kick Off“ und „Sensible Soccer“nun ziemlich eng geworden ist... (C. Borgmeier/od) Amiga Joker, September 1993 |
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hinzugefügt: March 12th 2015
Magazin: AJ
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