Genesia
Baukasten für Götter
Die eigentlich schon längst wieder abgeebbte Welle von göttlichen Weltensimulationen à la „Populous“ haben „Die Siedler“ erst kürzlich wiederbelebt – jetzt will Mindscape noch eins draufsetzen!
Die Götter müssen hier zwar nicht verr:uckt sein, aber daß sie ziemlich sauer wurden, als ein liebeskranker Prinz die sieben heiligen Juwelen mopste, um damit bei seiner Angebeteten Eindruck zu schinden, ist schon irgendwie verständlich – in ihrem Zorn legten sie gleich das ganze Prinzenland in Schutt und Asche. Inzwischen sind etliche Jahrhunderte vergangen, und drei menschlich oder elektronisch gesteuerte Blaublüter machen sich daran, das verwüstete Land wieder aufzubauen und gleichzeitig die verschollenen Klunker zu suchen.
Dazu müssen sie auf einer von insgesamt vier Landkarten unter Zeitdruck ein voll funktionsfähiges Königreich auf die Beine stellen, wofür ihnen jeweils ein Bonsai-Volksstamm von (anfänglich) vier Leuten zur Verfügung steht. Die Kerle können diverse Berufe ergreifen, wobei zu Beginn der Entwicklung vornehmlich Bauern, Holzfäller, Schreiner, Architekten und dergleichen handfeste Proffesionen mehr gefragt sind. Während die Jahreszeiten langsam wechseln, erteilt man ihnen via Maus und Icons seine Befehle, um erst mal die Grundversorgung der Bevölkerung mit Brunnen, Lebensmitteln und Wohngelegenheiten sicherzustellen. Im weiteren Verlauf schlägt dann auch die Stunde der Ingenieure, Erfinder, Ärzte und Feuerwehrleute, da das junge Gemeinwesen ständig komplexer und zudem gelegentlich von Seuchen, Naturkatastrophen und anderen Schicksalsschlägen heimgesucht wird. Außerdem sollte man beizeiten an die Errichtung von Tempeln, Schlössern, Kneipen und Finanzämtern denken, damit man sein Volk per Religion, Steuerschraube und abendlicher Belustigung unter Kontrolle haben kann. Sollte dessen Motivation nämlich zu stark absinken, ist es Essig mit dem Fortschritt! Selbstverständlich herrscht in der Staatskasse praktisch immer Ebbe, so daß man kaum an der Erschließung von Handelsrouten und der Ausrüstung von karawanen vorbeikommt. Erfahrungsgemäß ist zwar nicht mal der ärgste Feind einem guten Geschäft abgeneigt, trotzdem freut sich die Händlerkaste über die zusätzlich Absicherung durch einen zeitweiligen Nichtangriffspakt. Aber weil sich die Nachbarn früher oder später doch unangenehm bemerkbar machen, sind solide Befestigungsanlagen, Kanonen, eine einsatzbereite Schiffsflotte, bombige Fesselballons und ein stehendes Heer nie verkehrt. Und das Militär braucht man schließlich, um selbst neue Ländereien zu erobern und nach den Juwelen zu suchen, was einem (neben der Vernichtung aller Feinde) aucn den Sieg sichert. Bereits der hübschen Grafik in Iso-3D ist die starke innere Verwandtschaft mit „Populous“ deutlich anzumerken. Dazu kommen einzelne Elemente aus „Powermonger“, “Rings of Medusa” und sogar ein paar eigenständige Features. Man kann seine Leute dabei beobachten, wie sie Bäume fällen, in den Minen arbeiten, die Felder bestellen oder in die Schlacht ziehen; auf dem A1200er gibt es noch mehr Animationen, etwa fallende Blätter im Herbst und niedliche Schneeflöckchen zur Winterzeit. Auch der Sound ist sehr fein geworden, vor allem die FX mit ihrem Vogelgezwitscher, Froschquaken, Wolfsgeheul und dem pfeinden Wind erzeugen die richtige Atmosphäre im Ohr. Erste Wolken ziehen bei der gewöhnungsbedürftigen und nicht immer logischen Maussteuerung auf, deren Menüs sich hinter zahlreichen Icons verbergen, die im Stil von „Populous“ um den scrollbaren Kartenausschnitt gruppiert wurden. Weitere Menüs finden sich in einigen speziellen Gebäuden (z.B. Tempel), die auf Anklicken auch eine nette isometrische Innenansicht zum Vorschein bringen. Das Gameplay erreicht ebenfalls nicht ganz die Klasse der Vorbilder – besonders die Startphase ist dank des unübersichtlichen Handbuchs recht frustrierend. Dennoch lohnt hier die Einarbeitung, denn in Genesia steckt mehr, als man nach dem ersten Eindruck vermuten würde. Wer die restlichen Götterdämmerungen schon in- und auswendig kennt, darf seinem Schöpferinstinkt daher ruhig nachgeben und endlich mal wieder eine schöne neue Welt auf die Beine stellen. (mic) Amiga Joker, Januar 1994 |
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hinzugefügt: February 20th 2017
Magazin: AJ
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Sprache: german