Guy Spy
Angekündigt war eine mittlere Sensation: Der erste Grafik-Hammer von Ready Soft mit eingebauter Spielbarkeit! Die Botschaft vernahmen wir wohl, allein, uns fehlte der rechte Glaube..
Wer die vorangegangenen Präsentationswunder der amerikanischen Company kennt, wird uns eine gewisse Skepsis hinsichtlich des Gameplays ihres neuen Spionage-Opus gewiß nicht verübeln – daß Guy Spy nämlich eindeutig in der Tradition der „Dragon's Lair“ bzw. „Space Ace“-Reihe steht, merkt der Kenner bereits an der Hintergrundstory. Sie ist zwar so überflüssig wie eh und je, belegt aber trotzdem über ein Drittel der 14 Anleitungsseiten.
Als ultimativer Oberschlimmling fungiert hier ein gewisser Herr von Max (weder verwandt noch verschwägert mit unserem ultimativen Oberschlimmling gleichen Namens!), seines Zeichens ein übler Nazi, der die Welt mit einer gigantomanischen Wunderwaffe bedrohen will. Ob es sich dabei vielleicht um den Prototyp von Borfs späterem infantilitäts-Strahler handelt, war nicht herauszufinden, nur soviel, daß das adlige Mäxchen noch ein paar seltene Kristalle zur Vollendung seines Teufelswerks benötigt. Deshalb hat er seine Such-Sklaven losgeschickt, wovon wiederum Weltpolizist Amerika Wind bekommen und seinerseits den Agenten Guy Sy in Gang gesetzt hat. Der muß nun den Schergen des Unheils samt ihrem dicken Maxe über den ganzen Planeten nachreisen, bis er die Brüder endlich kaltstellen kann.
Bis hierher ist die Geschichte also im großen und ganzen eine inhaltlich leicht veränderte Neuauflage der Backgroundstories von „Dragon’s Lair“ bzw. „Space Ace“; die eigentliche Spielhandlung könnte dagegen den „Indiana Jones“-Programmierern in einer schwachen Stunde eingefallen sein: Guy Spy ballert sich durch einen Berliner U-Bahnhof, schlittert über die Schweizer Alpen, verirrt sich in einer ägyptischen Pyramide, prügelt sich in einer afrikanischen Bar, übt Bogenschießen im Dschungel und steht viele blaue Bohnen und spitze Pfeile später in einem Peruanischen Tempel schließlich Baron von Max persönlich gegenüber.
Man ahnt es schon, auch am Ablauf hat sich im Grunde wenig geändert: Der Spieler gerät von einer gefährlichen Situation in die nächste und muß durch beherzten Stick- und Feuerknopf-Einsatz die Haut seines Sprites retten. Sensationellerweise beschränkt sich die Aufgabe aber nicht mehr ausschließlich darauf, im richtigen Augenblick am Hebel zu reißen oder den Button zu drücken! Nein, Guy Spy hat verschiedene Kampf-Bewegungen im Repertoire und kann beinahe wie ein „richtiger“ Held gesteuert werden, außerdem steht man in den einzelnen Bildern nicht so unter Zeitdruck wie bei den (inoffiziellen) Vorgängern. Ist der Spion dennoch mal wegen Blei- oder Dynamitvergiftung zu seinen Ahnen geflüchtet, muß man nicht unbedingt wieder bei Adam und Eva anfangen: Ein Spielstand kann gesaved werden, und wer schnell genug auf den Feuerknopf drückt, darf in der jeweiligen Sterbeszene beliebig oft weiter spielen, ansonsten erscheint nach kurzer Zeit der Titelscreen.
Für die erneut sehenswerte Grafik zeichnet ausnahmsweise kein Mitglied der Bluth-Familie verantwortlich, stattdessen hat der hierzulande unbekannte Hugh MacLeod den Pinsel geschwungen. Sein Werk ist allerdings von ähnlicher Güte, wovon Ihr Euch anhand der Screenshots selbst überzeugen könnt. Sage und schreibe 5MB an Grafik flossen durch seine Digi-Feder, insgesamt 1500 Einzelbilder sollen flüssige Animationen garantieren – das dürfte ein neuer Rekord sein! Dennoch, stellenweise hatte Animateur Rui Albino große Mühe, Guy Spy realistisch zu bewegen, manchmal erinnert dessen breitbeiniger Gang eher an einen Windeltester als an einen Geheimagenten. Wer ganz genau hinsieht, wird auch feststellen, daß Don bzw. Sullivan Bluth doch etwas phantasievoller und aufwendiger gezeichnet haben. Der (abschaltbare) Klangteppich ist ebenfalls nicht mehr so voluminös ausgefallen, aber ist sehr atmosphärisch und fügt sich gut in die Handlung ein. Letzten Endes braucht sich unser Guy also nicht vor Ritter Dirk oder dem Jungen Dexter zu verstecken, und das, obwohl er sich mit vier Disketten und einem 512K-Amiga begnügt.
Nach alter Ready Soft-Tradition ist der Schwierigkeitsgrad in allen drei Stufen recht moderat; er könnte aber noch eine ganze Ecke niedriger sein, wenn die Joystick- und Tastaturkommandos (auch Parallelbetrieb ist möglich) nicht leicht verzögert umgesetzt würden, was eine ziemliche Eingewöhnung erfordert. Immerhin gehören dank der neuen Disk-Bescheidenheit Wechselorgien und lange Nachladezeiten nun der Vergangenheit an. Auch hat man sich sichtlich bemüht, von den gewohnten „Dreiminuten-Games“ wegzukommen, es gibt hier nur noch 13, allerdings recht ausgedehnte Spielszenen – wodurch sich direkt so etwas ähnliches wie Handlung entwickeln kann! Selbst Könner werden diesmal einige Stunden über die richtige Taktik in der verschiedenen Bildern grübeln müssen, doch andererseits ist der Spaß wie immer schnell dahin, sobald man das Game einmal durchgespielt hat. Kann Guy Spy nun also ruhigen Gewissens weiterempfehlen? Nicht wirklich, auch wenn der Preis von ehemals 140,- DM („Dragon’s Lair“) über 109,- DM („Space Ace II“) mittlerweile auf traumhaft günstige 89,- DM gefallen ist, ein hübsches Poster inbegriffen. Aber die Richtung stimmt, und hartgesottene Fans von Power-Präsentation werden ohnehin auch diesmal nicht nein sagen können…(pb) Amiga Joker, September 1992 |
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hinzugefügt: February 22nd 2017
Magazin: AJ
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Sprache: german