InSzene 11-1989


 



Ein Szenebericht in einer Spielezeitschrift? Gehört so etwas überhaupt in ein halbwegs seriöses Blatt?? Wir meinen: Die sogenannte „Szene" ist nunmal fester Bestandteil der Softwarelandschaft - ob's nun genehm ist oder nicht. Deshalb haben wir einen V-Mann vor Ort, der ab sofort in jeder Ausgabe die heißesten News und Facts aus der Amigaszene berichten wird. Hier und heute die Premiere: Dr.Freak, bitte melden...!

 
 
Hand aufs Her*: Wer von Euch hat wirklich noch nie eine Raubkopie in Händen gehabt? Na also! Trotzdem: Es ist und bleibt illegal. Gerade deshalb wird zu diesem Thema eine Menge geschrieben und gelabert, das meiste davon ist Schrott. Da wir jedoch wissen sollten, wovon wir reden, startet meine Berichterstattung mit einem kleinen Überblick. Sozusagen von Anfang an... Drehen wir die Uhr um ein paar Jahre zurück, in die Blütezeit des guten alten VC 64. Einige wenige Freaks konnten mit ihrem Rechner gut genug umgehen, um den Kopierschutz von beliebten Spielen zu entfernen; anfänglich tatsächlich nur, um den engen Freundeskreis kostenlos mit aktuellen Programmen zu versorgen. Man gab sich klangvolle Namen wie „German Cracking Service", „Jedi" oder „Section 8", war stolz auf die eigenen Kenntnisse und betrachtete die Sache im übrigen als unterhaltsames Gesellschaftsspiel. Um sich gegenüber der sprunghaft anwachsenden Konkurrenz abzugrenzen, wurden immer wieder neue Ideen aufgebracht: Die ersten
 
Intros (Cracker-Vorspänne) und Trainer-Versionen (unendlich viele Leben) erblickten das Licht der Welt. Als dann 1985 die 16 Bit-Computer auf den Markt drängten, dauerte es natürlich nicht lange, bis die zwischenzeitlich schon recht umfangreich gewordene Szene die neuen Wunder-rechner für sich entdeckte. Gruppen wie „ECA". „HQC" und „Unit A" machten von sich reden - viele ehemalige Mitglieder dieser Vereinigungen arbeiten übrigens längst ganz legal als Programmierer oder haben gar eine eigene Softwarefirma. Doch aus dem Spiel wurde langsam Ernst, die sogenannten „Spreader" (Verteiler) hatten inzwischen entdeckt, daß sich mit Raubkopien eine schöne Stange Geld verdienen läßt. Der „enge Freundeskreis" war bald vergessen, über Kleinanzeigen in entsprechenden Magazinen wurden (und werden) die Cracks gegen bare Münze ans „gemeine Volk" verhökert. Gewiefte Geschäftemacher, wie der inzwischen fast legendäre „Headbanger". stellten sich auf diese Weise Monat für Monat Beträge
 
zusammen, wie sie mit legalen Mitteln kaum zu verdienen sind. Aber wo es um richtiges Geld geht, da ist meist auch die Polizei nicht weit...
Die Beamten hatten leichtes Spiel: Bei Hausdurchsuchungen stieß man zumeist auf völlig verdutzte und zu-dem oft sehr junge Gesichter. Das massive Vorgehen der Justiz brachte das empfindliche Gleichgewicht der Szene gehörig ins Wanken und hatte einen rigorosen Wandel ?ur Folge: Die weniger stabil strukturierten Gruppen schmissen bald das Handtuch, übrig blieben jene Namen, die heute das Bild der Szene prägen: „Black Monks", „Quartex" oder „Paranoimia", um nur einige zu nennen. Diese Gruppen haben mit den „Einmannbetrieben" aus den 64er-Tagen kaum noch etwas gemein: 20 - 30 Mitglieder sind die Norm, jeder hat seinen speziellen Aufgabenbereich. Da gibt es Cracker (oft mehrere, um die wachsende Originalflut zu bewältigen), Swapper (sind für's Tauschen zuständig),   Intro-Grafiker   und
 
Komponisten und natürlich jene, die die Originale besorgen.
So, das war ein erster und aus Platzgründen ziemlich grober Überblick. In den kommenden Folgen wollen wir uns mit Feinheiten wie Copy-Parties oder den (zum Teil schon sehr harten!) Tricks der Szene-Jungs auseinandersetzen.
Bis dann, und immer schön sauber bleiben. Euer Dr.Freak




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