[Test]1869
Autor: LTC2. 10188 Gelesen
Mehr Farben im Meer?
AGA
So allmählich scheinen die frischen Winde am Amiga kräftiger zu blasen: Nach der bunten 1200er-Version von "Zool" trudelte dieser Tage eine weitere "Neuamiga Only"-Fassung eines Bestsellers bei uns ein!
Max Designs Übersee-Händler aus dem 19. Jahrhundert sorgte ja bereits vergangenen Herbst für Furore (und wurde von Euch als zweitbeste Simulation des Jahres 92 prämiert), wenngleich er es auf der "Freundin" naturgemäß nicht ganz so bunt trieb wie mit der MS-Dose. Die neue Hardware und ihre Möglichkeiten ließen den rühigen Austro-Programmierern jedoch keine Ruhe, und so machten sie sich daran, die PC-Versio auf den 1200er zu konvertieren. Mithin auch nicht im Gameplay, sondern bei der Präsentation...
Freilich wirkt schon die Urversion derart fesch, dass die zusätzlichen Farben auf den ersten Blick kaum auffallen - da stechen eher vermehrte Animationen wie z.B. das nunmehr wellenbewegte Weltmeer ins Auge. Auch findet sich der eine oder andere zusätzliche Zwischenscreen im RAM, und der ebenfalls von den IBM-Kompatiblen übernommene Sound hört sich mindestens genauso schön an wie das Amiga-Original. Davon abgesehen blieb alles beim Alten: Per Maus klickt man sich in die verschiedenen Häfen hinein, kauft Schiffe bzw. Ladung und schippert mit den Windjammern die Kisten entlang nach Südeuropa, Afrika oder gar quer übers Meer nach Asien und Amerika. Der Erfolg folgt einem jedoch nur, wenn man sich nach den wirklichen, historischen Verhältnissen richtet, also etwa auch die Erntezeiten exotischer Güter wie Tee oder Kaffee berücksichtigt. Tja, und weil das Programm neuerdings sogar multitasking ist, sind wir hiermit um den allerersten 1200er-Hit reicher! (jn) Amiga Joker, März 1994 |
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Kein Meer weit und breit, dennoch hat sich Österreich nun zur wahren Seefahrnation gemausert: Die Austro-Softler von Max Design lassen derzeit eine historische Wirtschaftssimulation im Skipper-Milieu zu Wasser - und zwar eine erster Kajüte! |
In der örtlichen Spelunke läßt sich indessen die Mannschaft zusammen klauben, wobei gute Crews den Geldbeutel natürlich viel mehr schröpfen als ein Haufen dahergelaufener Deppen. Aber Zeit ist ja auch Geld, und was man an Experten-Heuer drauflegt, könnte Fahrzeit leicht wieder eingespart werden – jedoch wird selbst die beste Besatzung aus einem lahmen Kutter keinen Highspeed-Katamaran machen. Jetzt fehlt nur noch der Abstecher ins Handelskontor, um eine hübsche Ladung zu bunkern. Hier stehen prinzipiell 22 verschiedene Güter zur Disposition, gelegentlich ist auch eine lukrative Sonderfahrt drin, etwa ein Passagiertransport zum Goldgräber-Kontinent Australien. In der Praxis werden freilich pro Hafen höchstens zwei, drei Warensorten angeboten, nämlich genau die, die seinerzeit auch tatsächlich dort zu haben waren. Wer also in Hamburg Elfenbein einladen möchte, hat mit Zitronen gehandelt! Ähnlich funktioniert der Verkauf: zwar kann man grundsätzlich alles überall loswerden, vernünftige Preise lassen sich aber nur erzielen, falls vor Ort auch eine vernünftige Nachfrage besteht.
Seebären, die sich hier dem maritimen Transportgewerbe verschreiben, werden bald merken, dass die gute alte Zeit so gut nun auch wieder nicht war: In 1869 haben die Programmierer nichts unversucht gelassen, den Spieler mit allerlei geschichtlich verbürgten Schikanen zu traktieren! Dabei fängt alles so harmlos an...
Anno 1854 starten ein bis vier menschliche Skipper ins große Abenteuer - ausgestattet mit 8000 Dollar Kapital und dem eisernen Willen, sich spätestens 1880 möglichst komfortabel zur Ruhe zu setzen bzw. bis dato alle eventuellen Konkurrenten in Grund und Meeresboden gesegelt zu haben. Selbstmurmelnd führt der erste Weg des angehenden Wassermannes in die Werft des selbstgewählten Heimathafens: hier dümpeln stets ein paar ordentliche Second Hand-Kähne, mit denen sich das feuchte Tagewerk beginnen läßt. Bei mehreren Mitspielern sind gar Versteigerungen angesagt, und wer möcht, kann im Rahmen seiner Finanzen auch ein nietennagelneues Shifflein in Auftrag geben. Dazu stehen verschiedene Typen vom simplen Zweimast-Schoner bis zum dicken 20.000-Tonner zur Wahl, nur muß man halt ein paar simulierte Monate Urlaub nehmen, bis der Pott vom Stapel läuft. Kein Beinbruch, denn solange nix los ist, rennt die Uhr am hübschen Weltkarten-Screen im Schnell-durchlauf und stoppt à la „Ports of Call“ erst dann, wenn irgendwo Taten gefordert sind.
Ihr ahnt es schon, in 1869 wird tatsächlich ein ganzer Weltmarkt mit all seinen Tücken simuliert. Wenn auch z.B. in Le Havre die Absatzmöglichkeiten für Kohle normalerweise recht günstig sind, so darf man das dennoch nicht als Garantie mißverstehen – Indischer Tee wiederum ist kurz nach der Erntezeit besonders preiswert, wer hingegen wesentlich später in Calcutta eintrödelt, könnte vor leeren Depots stehen. Kluge Segler umschiffen derlei Engpässe durch Einrichtung eines eigenen festen Lagerhauses im betreffenden Hafen. Das ist zwar nicht billig, ermöglicht aber den Kauf großer Warenmengen wenn sie einem gerade nachgeschmissen werden, und mit dem Abholen ist’s dann nicht so eilig.
Überhaupt ist Realismus hier Trumpf. Rekord-Überfahrten merkt sich das Programm unvorsichtige Kapitäne können hingegen in den Wirren des amerikanischen Bürgerkrieges Haus und Steuerrad verlieren, und wenn ein Frachter mal untergehen sollte, so fahren all darauf befindlichen Gelder ebenfalls zu den Seetenfeln. Wie im wirklichen Leben beginnt anläßlich der Eröffnung des Suezkanals im Jahre 1869 (aha, daher also der Titel) eine neue Epoche im Welthandel, und mit modernen Dampfschiffen verlieren selbst die flauesten Flauten ihren Schrecken. Zünftige Stürme fehlen natürlich auch nicht, ja selbst die Meeresströmungen sind exakt da, wo sie hingehören – man muß sich also genau überlegen, welchen Kurs man einschlägt! Schließlich wollen selbst die Besatzungen immer fein gehätschelt sein, damit sie nicht meutern, brav dazulernen und überhaupt ihr Bestes geben...
Erfreulicherweise steht das technische Niveau der inhaltlichen Komplexität nicht nach. Etwa 80 screenfüllende, wunderhübsche, kunterbunte Bilder warten mitsamt ihren kleinen, aber oft witzigen Animationen (z.B. Fliegenüber einer Obstschale) auf den betrachter. Jedes Handelskontor sieht anders aus und ist im Stil des betreffenden Erdteils gehalten, das gleiche gilt für die 25 sehr atmosphärischen Musikstücke. Über die bequeme und durchdachte Maussteuerung mit ihren übersichtlichen Icons und den der jeweiligen Situation angepaßten Menüs kann man sich gleich gar nicht beschweren: selten lag das Kapitänspatent so handlich in der Hand. Last but not least verdient das Handbuch ein Sonderlob; eine solche Menge and Hintergrund, Materialien und versteckten Tips findet man sonst höchstens in den Anleitungen von Microprose. 1869 ist also eine funkelnde Gemme im derzeit gut gefüllten Schatz-Kästchen der Wirtschafts-simulationen mit Historien-Appeal, allenfals „Der Patrizier“ kann da noch mithalten. Wer etwas für das Genre übrig hat und hier dennoch nicht an Bord geht, den soll doch glatt der Klabautermann (kiel-)holen! (jn) Amiga Joker, September 1992 |
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Kategorie: Spiele Tests
Tags: Keine
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