[Test]Ambermoon
Autor: LTC2. 6185 Gelesen
Nie waren Amiga-Rollis so wertvoll wie heute: Seit sich der PC zum Dungeon Master aufgeschwungen hat, tröpfelt der Nachscshub für abenteuerlustige "Freundinnen" etwas spärlich - doch Thalion liefert jetzt den warmen Regen!
Bereits seit "Dragonflight" verfolgt die Rollenspiel-Abteilung des Gütersloher Softwarehauses einen ganz eigenen Fantasy-Kurs und beliefert uns Amigianer mit Games, die der mächtig magischen PC-Konkurrenz von New World Computing oder auch Lord Britishs ultimativen Britannicas auf ihre Art durchaus Paroli bieten können. Ein ums andere Mal kitzelt das Team um Erik Simon und Karsten Koeper das Maximum aus den technischen Möglichkeiten des Amigas, ohne dabei einzelne Aspekte der Gesamtkomposition zu vernachlässigen. Auch beim Nachfolger von "Amberstar" hat das Rezept wieder funktioniert, in Sache Spieltiefe braucht sich das Programm vor nichts und niemandem zu verstecken. Und die Story gehört ohnehin Thalion allein:
Siebzig Jahre nach den Ereignissen des ersten Teils der Bernstein-Trilogie trägt Lyramion ein neues Gesicht, denn der Absturz des dritten Mondes verwandelte den einstmals zusammenhängenden Kontinent in einen Archipel. Doch auch das ist inzwischen Geschichte, die Leiche von Bösewicht Tarbos wird unablässig mit magischen Bannsprüchen belegt, und es scheinen all-überall Friede, Freude und Heidelbeerjoghurt zu herrschen. All-überall? Nun, nicht ganz, denn in einem bescheidenen Häuschen nahe eines bescheidenen Städtchens ruft ein bescheiden mit dem Tode ringender Großvater seinen Enkel ans Sterbebett um ihm seine bösen Vorahnungen anzuvertrauen. Opa entpuppt sich als der greise Held aus "Amberstar", sein Nachfahre wird alsbald zum Retter des Lyramischen Inseln avancieren, und für die warnenden Träume des Alten zeichnet Shandra verantwortlich, ein ebenso mächtiger wie gutherziger von anno dunnemals.
Stop, müsste der Bursche inzwischen nicht längst die Geranien düngen? Müsste er eigentlich wirklich, aber was heißt bei einem Magier schon "eigentlich"? Und wie wär's, wenn Ihr hingeht und diese Frage selber klärt? Freilich wird Shandra so oder so noch eine ganze Weil auf Euch warten, schließlich gibt es hier viele Fragen zu klären, Rätsel zu lösen und Karren aus dem Dreck zu ziehen. In diesem Zusammenhang wäre etwa die Banditengang zu nennen, welche das nahegelegene Örtchen verunsichert, doch auch die im Umland marodierende Orkmeute ist nicht von schlechten Eltern. Dann gibt es irgendwo ein Nest von diebischen Feen, ganz zu schweigen vom verzwickten Weinkeller der Kneipe oder dem ausgedehnten Höhlensystem unter Granny's Hütte. Oder vielleicht interessieren Euch mehr die verschwundenen Hufeisen des Pferdestallbesitzers, die auf einer Nachbarinsel verschollene Tochter der örtlichen Heilerin oder die gelegentlich herumliegenden Spruchrollen, mit denen magische Abenteuer ihr Zauberrepertoire erweitern können?
So tastet man sich also Quest für Quest an die eigentlichen Probleme heran, erfreut sich an der dichten Story wie an dem sauber ineinandergreifenden Rätseldesign (das meist mehr als einen Weg bietet), strickt wie gehabt mit vielversprechenden NPCs eine schlagkräftige Party, zaubert in allen Lebenslagen per zauberhaften Auswahlmenü und läßt irgendwann sogar Lyramion hinter sich - nicht umsonst heißt das Game Ambermoon! Auf den beiden Monden unserer Abenteuerwelt gibt es nämlich ebenfalls eine Menge zu entdecken und zu erforschen, denn in der bizarren Flora des Waldmondes bzw. den ausgedehnten Wüsten und kristallenen Städten seines Kollegen harrt noch so manches Geheimnis seiner Entwirrung...
Wald und Wüste mögen als Stichworte für eine elegante Überleitung zur Präsentation dienen, und was die betrifft, ähnelt Ambermoon dem Vorgänger auf den ersten Blick wie ein jüngerer Bruder. Das Innerleben von Häusern und die Wilderniss präsentieren sich einmal mehr aus der Vogelperspektive, während die Dungeons und Städte in 3D erforscht werden. Beim zweiten Hinsehen wird dann allerdings offenbar, daß die Grafiker hier viel mehr Liebe auf die Wohnungsmöblierung und vor allem auf die Außenwelt verwendet haben. Der wirkliche Clou ist aber, daß die Verliese jetzt einen Touch von Virtual Reality à la "Ultima Underworld" bieten! Zwar ist der optische Eindruck etwas uneinheitlich (nicht so überzeugende Natursteinhöhlen tummeln sich da neben traumhaften Katakomben mit eingebautem Schaudereffekt), aber immerhin darf man kreuz und quer "herumschlagen" - die neuen Grafikroutinen machen alles in ordentlichem Tempo, wenn auch nicht ganz ruckelfrei mit. Durch die am 1200er zuschaltbaren Boden- und Deckentexturen sind B esitzer dieses Rechners optisch jedoch klar im Vorteil. Für alle von Vorteil sind miet Sicherheit die bei der Handhabung erzielten Fortschritte: Obwohl grundsätzlich alles bei den alten Iconfeldern und taktischen Kampfscreens mit rundenweise Befehlsvergabe blieb, würden doch hier wie dort einige auf Dauer nervige Ecken und Kanten des Vorgängers abgeschliffen; zudem lassen sich die häufigsten Funktionen jetzt auch direkt per Mausklick aktivieren. Somit steuert Ihr Euren unter acht männlichen wie weiblichen Kandidaten auswählbaren Enkel also nunmehr rund und glatt durch das Abenteuer. Tja, bliebe nur noch der Sound, und hier erweist sich Matthias Steinwachs als würdiger Nachfolger von Guru Jochen Hippel. Ehrlich, selbst nach Tagen ununterbrochenen Spielens hört man seine diversen Melodien immer noch gern; läßt sich einem Musikus ein schöneres Kompliment machen? Und noch ein Kompliment an die gesamte Thalion-Crew: Selten hatten wir einen Hit im Heft, bei dem durch das wohlbedachte Zusammenspiel so vieler Faktoren ein so harmonischer Gesamteindruck entstand. Mann, wir sind ja jetzt schon so gespannt auf den nächsten Teil der "ultimativen" Rollenspiel-Saga aus deutschen Landen! (jn) Amiga Joker, November 1993 |
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Kategorie: Spiele Tests
Tags: Keine
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