Eye of the Beholder
Im Lager der PC-Abenteuer brach helle Begeisterung aus, als SSI diesen ersten Teil der brandneuen Legend-Serie vorstellte – ob die verwöhnten Amiga-Kämpfen auch so leicht beeindrucken sind? Nun, von leicht kann eigentlich keine Rede sein: Auch und gerade in “Amigavision” sind die Äuglein des Beholders eine echte Sehenswürdigkeit!
Man will es zunächst kaum glauben, dass dies immer noch die gute alte „Forgotten Realms“ Welt ist, durch die wir uns schon in „Pool of Radiance“ und „Curse of the Azure Bonds“ geschlagen haben! Das Szenario mag ja gleichgeblieben sein, aber Gameplay und Optik erinnern hier weit eher an „Dungeon Master“ als an die bisherigen SSI-Games. All die modrigen Verliese, gruseligen Gegner und vergessenen Schätze präsentieren sich nun im Glanz von 32 Farben in einem riesigen Sichtfenster; selbst bei den Kämpfen wird nicht mehr wie früher auf einen anderen Screen umgeschaltet. Stattdessen sieht man abgefeuerte Geschosse (Messer, Feuerbälle, etc.) perspektivisch richtig auf die fein animiert durch die 3D-Gänge schleichenden Monstern zusegeln!
Beim Sound hat ebenfalls eine kleine Revolution stattgefunden: Vergessen sind die Zeiten, als man sich bei SSI-Abenteuern nie sicher sein konnte, ob der Krach jetzt Schwergeklirr ist, oder ob bloß die Lautsprecher langsam ihren Geist aufgeben – hier weiß man gar nicht, was man mehr loben soll, die atmosphärischen Geräusche oder die hervorragenden Musikstücke! Und auch hinsichtlich der Handhabung gab es entscheidende Verbesserungen; statt sich mühsam durch Menüs quälen zu müssen und ständig auf der Tastatur rumzuhacken, steuert man die Geschichte jetzt ganz entspannt und sorgenfrei mit dem kleinen Amiga-Nagetier. Die Bildschirmaufteilung ist dabei nicht nur übersichtlich geraten, sondern so gut durchdacht, daß selbst das geöffnete Inventory nie die freie Sicht versperrt. Schließlich noch die letzte, wenn auch unsichtbare Neuerung: Eye of the Beholder ist das erste Computerrollenspiel, das auf den neuen AD & D-Regeln der zweiten Ausgabe beruht.
Nach diesem technischen Vorgeplänkel wollen wir nun aber endlich das Städtchen Waterdeep besuchen. Genauer gesagt die örtliche Kanalisation, denn dort hält sich das Böse diesmal verborgen und wartet darauf, aufgestöbert und erledigt zu werden. Recht viel mehr gibt’s zur Vorgeschichte nicht zu sagen, und recht viel mehr darf man sich an Handlung nicht erwarten: Durch die stinkende Brühe waten, zaubern, kämpfen, Fundsachen einsammeln und hin und wieder mal ein Rätsel lösen – das sind so die hauptsächlichen Beschäftigungen, mit denen man seine Party auf Trab hält. Am einfachsten ist das natürlich am Anfang, weil da die Gegner eher niedlich als wirklich gefährlich sind, und will man zudem für die ersten drei Kanalisationsetagen (zwölf sind es insgesamt) in der Packung einen Übersichtsplan vorfindet. Ab Level vier wird’s schon etwas grimmiger, und ab hier darf dann auch fleißig gezeichnet werden, Automapping gibt’s nämlich nicht. Zum Trost finden die allmählich härter werdenden Auseinandersetzungen nun in immer freundlicheren Umgebungen statt, gegen Ende zu schreitet man dann durch richtiggehende Unterweltpaläste! Die epischen Qualitäten der Ultima“- Serie darf man sich hier also nicht erwarten, „Dungeon Master“- Fans werden hingegen bestens bedient: Einige der Puzzles sind sogar recht verzwickt (wenn man den linken Schalter umlegt, 48 Räume später eine Bodenplatte berührt und dann den Spezialschlüssel…), die ganze Chose läuft in Echtzeit ab, und das leibliche Wohlbefinden der Mannschaft sollte nicht vernachlässigt werden (Hunger!!!). Außerdem trifft man gelegentlich freundlich/neutral/undurchschaubar gesonnene Zeitgenossen: manche davon wollen sich der Abenteuergruppe anschließen, andere möchten ihr kleine Besorgungsaufträge aufhalsen, wieder andere sind schon zufrieden, wenn man sie bloß in Ruhe läßt. Praktischerweise liegen in den kanälen auch öfters mal ein paar alte Knochen herum, die man wieder zum Leben erwecken und anschließend zur Verstärkung seiner Party benutzen kann. Praktisch vor allem deshalb, weil die Gruppe anfangs nur aus vier Charaktern besteht, und die ein oder maximal zwei wiedererweckten Zusatz helden da schon eine spürbare Verstärkung darstellen. Ebenfalls sehr günstig ist der Umstand, daß die arbeitswütigen Skelette meist gerade die passenden Berufe (es gibt sechs Rassen und sechs Klassen) haben, so dass etwaige Versäumnisse bei der anfänglichen Charaktererstellung wieder gutgemacht werden können. Apropos „Heldenbaukasten“: Die Erschaffung geht locker-flockig von der Hand, es stehen viele schöne Portraits zur Auswahl, zudem dürfen die Werte noch etwas „nachgebessert“ werden. Eye of the Beholder ist optisch, akustisch und von der Bedienung her ein Traum. Schwachpunkte haben wir nur wenige gefunden. Sicher, es gibt kein Automapping, pro Disk kann nur ein Spielstand abgespeichert werden (d.h. viele, viele Disketten bereithalten!), und der Schwierigkeitsgrad ist im allgemeinen genau richtig – für Einsteiger. Kampferprobte Amigianer können den Sieg also etwas schneller als erwartet davontragen, werden dann aber mit einem Schmankerl belohnt, auf das PC-Recken verzichten mussten: Die wahrhaft grandiose Endsequenz hat nämlich einzig und allein unsere „Freundin“ zu bieten! (mm) Amiga Joker, September 1991 |
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hinzugefügt: May 1st 2013
Magazin: AJ
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Sprache: german